Digital statt Papier

Zugegeben: Das Osnabrücker Stadtblatt, ein seit 1978 monatlich im Hase-Metropölchen erscheinendes Alternativ-Magazin zu Politik, Kulturszene sowie Lebensstil in der Region, dessen Ursprung einst war, für eine Gegenöffentlichkeit zur Monopolstellung der NOZ zu sorgen, hat Georgsmarienhütte eher seltener im Blick gehabt. Dass jetzt mit der November-Ausgabe der Vorhang fällt und nach 45 Jahren Schluss ist, wirft aber einen Blick auf drohende rasante Negativentwicklungen beim Presseangebot in der Region. Es gibt die Notwendigkeit, vor Ort neue Info-Wege zu suchen, um dort wichtige lokale Dinge abzubilden.

Andreas Bekemeier, der Herausgeber des Stadtblatts, macht es im Editorial zum finalen Heft 536 kurz und schmerzlos: Es seien „in erster Linie persönliche Gründe, die zu dieser Entscheidung“ geführt hätten „Nicht von der Hand zu weisen“, sei aber auch, dass „Printjournalismus ein schwieriges Geschäft geworden ist“. Aufwand und Ertrag stünden in einer „überhitzten Kommunikationsgesellschaft immer weniger in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander“. 

Stadtblatt hinterlässt eine Lücke

Das Stadtblatt musste den von ihm einmal formulierten Anspruch, „kein Blatt vor den Mund zu nehmen“, wie viele Citymagazine mit der Zeit zusehends dem sich Richtung Lifestyle verändernden Zeitgeist anpassen. Auch hemmte das von den Machern  betriebene Agenturgeschäft den Biss, da dies mit Rücksicht auf Auftraggeber oder eingegangene Kooperationen schon mal zur Folge hat, im Zweifelsfall ein kritisches Thema nicht anzufassen. Sicher ist aber: Das Stadtblatt, das jungen Schreibern die Chance bot, im Journalismus erste Erfahrungen zu sammeln, wird fehlen. Es gibt aber wohl Ansätze, das Aus als Chance zu nutzen und eine moderne 2.0- / 3.0-Variante  zu starten, nachdem das Stadtblatt den Schritt der Online-Präsenz bis zuletzt nicht gegangen ist.

Auch das Geschäftsmodell Tageszeitung hat, wie immer deutlicher wird, wohl keine langfristige Perspektive mehr, was Print betrifft. Bei der NOZ nimmt der Einspardruck beim gedruckten Produkt angesichts von Faktoren wie sinkender Auflagenzahlen bei gestiegenen Papierpreisen oder den Auswirkungen der Mindestlohnerhöhungen, die vor allem im Zustellbereich  durchschlagen, mächtig zu. Dabei schreibt das Unternehmen insgesamt weiter alles andere als rote Zahlen. Das große Zukunftsversprechen der Branche: digitale Produkte, die im Zeitungsalltag längst die Abläufe  bestimmen. 

So prägt inzwischen nahezu komplett der Blick auf die online für Clicks sorgenden Stoffe die Arbeit der Content-Manager, die für die Auswahl der Themen zuständig sind. Print ist dann das Sekundär-Produkt: Die Blattmacher der jeweiligen Lokalausgaben bedienen sich aus dem Angebot, das online gelaufen ist. Die Möglichkeit, andere Inhalte aufzugreifen, ist in diesem ganz auf die Digital-Bedürfnisse ausgerichteten Produktionssystem weitgehend ausgeschlossen. Auch wann ein Artikel schließlich in der Printausgabe erscheint, ist unkalkulierbar geworden. 

Verzicht auf Aktualität in Print

Die knapp  60 Euro (inkl. Online-Ausgabe) monatlich zahlenden NOZ-Printbezieher dürften vermutlich ein anderes Verständnis von Aktualität und Wertschätzung der Kundschaft haben, als dies zuletzt Praxis gewesen ist. So war bspw. der Tagespresse zwar der Stadtgeburtstag Georgsmarienhüttes, der jedes Jahr am 19.September im Rathaus gefeiert wird und traditionell im Zeichen der Würdigung ehrenamtlichen Engagements steht, eine Berichterstattung wert. Der Text erschien aber erst rund einen Monat später.

Noch härter trifft es die Fußballfans unter den NOZ-Beziehern in der Stadt Osnabrück und den direkt angrenzenden Umlandgemeinden des Altkreises. Seit dem Start der Zweitligasaison Anfang August 2023 müssen sie bei Abendspielen des Aufsteigers VfL am nächsten Tag auf eine aktuelle Berichterstattung im Sportteil verzichten. Der tägliche Andruck wurde für dieses Verbreitungsgebiet auf 19.30 Uhr vorverlegt, um die „Qualität der Zustellung zu sichern“, die so schon noch am Abend beginnen kann. Die logistischen Hintergründe dieser Änderung, dass es immer schwieriger wird, Austräger zu finden und jetzt neue Lösungen möglich sind, wurden in der Samstagsausgabe Ende Juli 2023 in einem großen Interview von Chefredakteur Geisenhanslüke und Geschäftsführer Hoffmann vom NOZ-Medienvertrieb erläutert. Aber der direkte Hinweis auf die Auswirkungen, das sogenannte Kleingedruckte, wurde vergessen. 

Druckauflage sinkt

Die früheren Druckzeiten hatten gleich zu Saisonbeginn zur Folge, dass sich über das erste Heimspiel sowie kurz darauf die Pokalpartie an der Bremer Brücke gegen den Bundesligisten 1. FC Köln am nächsten Tag in den Ausgaben für Stadt und die Umlandgemeinden kein Wort oder Bild fanden. Das im Gegensatz zu den Lesern im weiteren Landkreis, in deren Printmedium wegen der späteren Druckfolge weiter der VfL aktuell stattfindet. Gute Kommunikation sieht anders aus. So war der Frust bei den Lila-Weiß-Anhängern groß.

Das strategische Ziel, das im Fokus steht, ist klar: Den Anteil der digitalen Produkte zu steigern, die den Nutzern noch am Abend aktuelle Berichte bieten. Doch ob der richtige Weg ist, die Print-Leserschaft zu vernachlässigen, sorgt für Fragezeichen. Die Entwicklung der Auflagenzahlen zeigt, wie in der gesamten Branche, weiter ein düsteres Bild: Nachdem die Print-Abos Ende 2021 im Vergleich zum Vorjahr im Schnitt um rund 6,5 Prozent zurückgingen, lag das Minus Mitte des Folgejahres bei knapp unter 10 Prozent. Ein Bereich, in dem sich die Zahlen wohl weiter bewegen werden. Trendwende nicht in Sicht.

Der Ausblick ist eher trüb: So soll es zum Jahresende bei der NOZ kein Korrektorat sowie kein Lokalarchiv mehr geben. Der letzte Punkt wird vor allem Vereine und Initiativen schmerzen, die hier immer fündig geworden sind und jetzt darauf hoffen müssen, per Digitalrecherche etwas zu finden. Bleibt trotz allem der Schluss: Die Tageszeitung wird weiter ihren Stellenwert haben, aber eine umfassende Information über das lokale Geschehen ist nicht mehr gegeben. Hier sind neue Angebote gefragt.

LPD/RK