Glanz, Gloria, Ehre. Straßennamen

Ehre wem Ehre gebührt! Bis in die frühe Neuzeit hinein hieß ein Weg, der zur Kirche führte, Kirchweg. Zog er sich weiter über den Marktplatz bis zum nächsten Ort, meinetwegen: Bullerbü, war es eben der Marktweg und/oder die Bullerbüer Straße.  So weit, so gut. Ab Anfang des 19. Jahrhunderts kam in Mode, wichtigere Straßen und Plätze jeweils schönen, geistig herausragenden und/oder verdienten Mitmenschen – zumeist Fürsten, Gottesmänner und Militärs, je nach Weisung des jeweiligen Landesherrn – zu widmen. Wer im Ländle berühmt war oder sich unabkömmlich gemacht hatte, konnte darauf vertrauen, dass nach seinem Tod irgendwann sein Name auf irgendeinem Straßennamenschild an die Hausecke genagelt wurde. Das gilt auch noch heutzutage. Hier und heute heißt der Zankapfel: Hindenburgstraße.

Dabei wurde Feldmarschall Paul von H. erst nach Ende des 2. Weltkriegs aufs (Straßen)Schild geholfen, weil: die „Adolf-Hitler-Straße“ musste weg – verständlich – so benannte man/frau diese um in „Hindenburgstraße“; was die englischen Befreiungstruppen zwar eigentlich verboten hatten, denn vom WK-I-Feldmarschall waren sie ‚not amused“, was aber in Alt-GMHütte damals anscheinend niemanden interessierte. Ein bisschen großdeutscher Glanz konnte damit aus der Vergangenheit herübergerettet werden! Obwohl der Name seit den 70ern dann doch immer mal wieder weg sollte – passiert ist aber bis heute – nichts.

Politisch-demokratische Hygiene
Straßenbenennungen haben namenmäßig immer was mit „Ehre“ zu tun. Hindenburg war ein ausgewiesener Militarist, Kriegstreiber und rechter Antidemokrat, der mit Generalskumpel Ludendorff im 1. Weltkrieg quasi eine Militärdiktatur über den schwachen Kaiser hinweg installierte und -zigtausende Soldaten verheizte – was namhafte Historiker bestätigen. Außerdem hat der General die verheerende „Dolchstoßlegende“ erfunden und sich als „Ersatzkaiser“ und späterer Reichspräsident maßgeblich als Steigbügelhalter Adolf Hitlers erwiesen. Deshalb gehöre die Hindenburgstraße – so die Umbenennungs-Befürworter – im Zeichen politisch-demokratischer Hygiene endlich umbenannt! Und wenn Hindenburg-Befürworter meinten, das alles wäre ein erhaltenspflichtiges Zeugnis „Deutscher Geschichte“, dann hätte man/frau in diesem Sinne ja auch die frühere Bezeichnung „Adolf-Hitler-Straße“ belassen können – auch ein Stück Geschichte. Und was für eine! Die Befürworter sagen, die Straße hätte ja immer schon so gehießen, „Gewohnheitsrecht!“, und so solle es auch bleiben! Und ganz profan: wer erstattete denn im Änderungsfall die neuen Visitenkarten und Briefbögen und vergüte das sonstige Ungemach für die Anlieger? Das sah selbst der damalige Bürgermeister so. Öffentlich. Aber natürlich nur als Privatmann – so kurz vor der Wahl. Fazit: alles Blödsinn! Die Kosten bleiben marginal, weil die Kommune fast alle Kosten übernimmt und die „neue Auffindbarkeit“ regelt. OK! Den direkt Betroffenen mag dieser Frust vielleicht ein wenig nachgesehen werden, bei der Politik fällt die Nachsicht schwerer. Bisher vermochte kein Stadtrat als allein befugtes (Um)Benennungs-Gremium hierzu klare Position zu beziehen. Liegt es an mangelndem Geschichtsbewusstsein? Oder an der Angst um Wählerstimmen aus dem Hindenburg-Straßenbereich? Oder ist man/frau nur bockig?

Helden auf tönernen Füßen?
Ehrung durch Benennung einer Örtlichkeit mit Personennamen ist grundsätzlich problematisch. Man/frau findet Diskussionsstoff auch zu anderen GMHütter Straßennamen wie „Jahnstraße“ oder „Martin-Luther-Straße“, weiterhin zu Graf Stauffenberg oder Georg Elser. Turnvater Jahn ist nicht nur der frisch-fromm-fröhlich-freie Vor- und Oberturner und vehemente Breitensport-Vorkämpfer gewesen, sondern auch ein völkischer Nationalist, Franzosenhasser, Judenverleumder und Zigeunerverachter; ein früher Fan von Blut- und Rassereinheit. Martin Luther muß man/frau über sein segensreiches reformatorisches Wirken hinaus leider auch als einen ausgesprochenen Judenverächter bezeichnen, und in Sachen Bauernaufstände hat er sogar das blutige Niedermachen der verzweifelt aufbegehrenden, verelendeten Landbevölkerung gepredigt. Jahrhunderte später stellt Graf Stauffenberg für die einen den mutigen Widerständler gegen das NS-Regime, für Unbelehrbare aber nur einen abgefeimten Vaterlandsverräter und für nachdenkliche andere einen Offizier dar, den hauptsächlich der Ärger über das militärische Versagen des „Führers“ und des OKW zum Attentat getrieben habe. Und Georg Elser, der mutige Einzelkämpfer gegen NS und „Führer“? Den möchte dieser oder jener Advokatus Diaboli eingedenk der damaligen Rechtslage auch nur als verblendeten Terroristen bezeichnen.

Augen zu und durch
Die bessere Lösung wäre, endlich mit den inflationären Namensnennungen/-ehrungen auf Straßenschildern Schluß zu machen. Vielleicht sollten auch in GMHütte wieder mehr unverfängliche Bezeichnungen wie Tümpelweg, AmRübenacker, ImTiefenGrund oder auch Mandolinenweg, Hamsterpädken, Apfelgasse resp. Waschbärenallee festgesetzt werden. Doch Nennungen sind und bleiben eine nicht fassbare Sache, irgendwas im Sinne von Unvergänglichkeit … vielleicht ist die amerikanische Art der Bezeichnung mit Nummern – 22th Street, 45. Avenue oder so – da doch konfliktärmer. Aber sicher  langweiliger. Wer zofft sich schon um Nummern bzw. Zahlen?! Ausnahme: Lotto.
RFG